Geschichte

Die St.-Liborius-Priesterbruderschaft

Aufsatz von Pfarrer Reinhard Bürger

Gegründet im Jahre 1960 ist die St.-Liborius-Priesterbruderschaft ein noch recht junges Gewächs in der langen Geschichte der Beziehungen zwischen den Bistümern Le Mans und Paderborn. Ihre Wurzeln reichen aber weiter zurück. Die Gründung der Bruderschaft lebt von den Erfahrungen von Menschen, die schon lange vorher um Verständigung und Versöhnung der beiden so lange verfeindeten Nachbarn Frankreich und Deutschlang bemüht waren.

Zurück zu den Wurzeln

Die Ideen für eine Verständigung zwischen den Völkern waren schon seit den zwanziger Jahren in den Köpfen gerade vieler junger Menschen lebendig. In der Pax-Christi-Bewegung werden diese Gedanken nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen und umgesetzt.

Eine Reihe von Priestern beginnt nach den Erfahrungen des Krieges mit der Versöhnungsarbeit und mit dem Ausbau von Kontakten, besonders unter den Jugendlichen. Heinz Diebecker, der schon unter den Kriegsgefangenen in Frankreich als Seelsorger tätig gewesen war, fährt 1953 mit dem Diözesanjugendseelsorger Ludwig Jüngst, dem Jugendführer Hans Wernecke und Jugendlichen nach Le Mans. In Le Mans sind es unter den Priestern Marcel Tarot und Louis Houdoun, die die Kontakte aufbauen. 1954 kommen die ersten französischen Jugendlichen zum Liborifest nach Paderborn. Mit finanzieller Unterstützung durch die Paderborner Jugend kann in den fünfziger Jahren eine neue Kirche in Le Mans gebaut werden, die St. Liborius-Kirche.

Die erste Idee für eine Bruderschaft unter den Priestern kommt vom damaligen Dompfarrer in Paderborn, Anton Schwingenheuer, immer unterstützt vom unermüdlichen Heinz Diebecker. Seine Idee wird 1960 vom Manceller Dompfarrer Charles Leboisne aufgenommen.

Die Gründung der Bruderschaft

Anton Schwingenheuer und Charles Leboisne stellen ihr Projekt den beiden Bischöfen Jaeger und Chevalier vor, die sofort zustimmen und teilnehmen. Man kann zu Recht sagen, dass die beiden Dompfarrer die Gründer der Bruderschaft sind, sie werden auch ihre ersten Präsidenten. Heinz Diebecker wird Vizepräsident, Wilfried Göddecke Sekretär für Paderborn und Jean Leliévre für Le Mans.

Ziele der Bruderschaft sind es, eine Gemeinschaft des Gebetes füreinander zu bilden, einander zu unterstützen, die Kontakte untereinander auszubauen und die pastorale Situation der jeweils anderen Seite zu verstehen. Man wollte sich gegenseitig informieren in gemeinsamen Konferenzen, die andere Kultur verstehen und nach Möglichkeit die Sprache des anderen lernen. Diese Ziele wurden in den Statuten der Bruderschaft festgeschrieben, die 1964 von den Bischöfen in Kraft gesetzt wurden. Die Bischöfe selbst sind Mitglieder der jeweiligen Vorstände.

In den folgenden Jahren treten zahlreiche Priester (inzwischen auchh Diakone und Laien) der Bruderschaft bei (1997 ca. 200 in Paderborn und ca. 70 in Le Mans).

Gegenseitige Hilfe

Ein wesentlicher Unterschied der Kirchen in unseren beiden Ländern besteht in den finanziellen Möglichkeiten. Dem deutschen Kirchensteuersystem steht in Franzreich ein Finanzierungssystem gegenüber, das die Kirchenbeiträge von den Gemeindemitgliedern direkt erheben muss. Der finanzielle Spielraum ist damit sehr eingeschränkt. Die Paderborner Sektion der Bruderschaft hat sich deshalb die Sorge für die alten und kranken Priester in Le Mans zur Aufgabe gemacht. Die Spenden der deutschen Mitglieder werden seit vielen Jahren zum Betrieb des Hauses St. Aldrich verwendet, das als Altersheim für die Manceller Priester dient. Eine besonders gelungene Aktion war der Spendenaufruf zu Weihnachten 1989 für den Ausbau der Kranken- und Pflegestation des Hauses. Dieser Aufruf richtete sich an alle Priester des Bistums Paderborn mit der Bitte um einen solidarischen Beitrag. Auf diese Weise konnten über 100.000 DM von den Paderborner Priestern für die Manceller Mitbrüder zur Verfügung gestellt werden.

Seit 1993 sind auf eigenen Wunsch zwei Mitglieder der Bruderschaft im Bistum Le Mans als Priester tätig: Christof Hentschel in La Fléche und Bazouges und Karl-Hans Köhle in Le Mans in der Gemeinde Notre Dame du Pré und in der Studentengemeinde. Durch ihre aufgeschlossene und einsatzfreudige Art haben diese beiden jungen Kollegen viel Anerkennung im Bistum Le Mans erfahren. In ihren Gemeinden werden sie als echte Bereicherung erlebt. Im Gegenzug ist ab September 1997 Bruno Delaroche für ein Jahr im Erzbistum Paderborn in Dortmund-Scharnhorst als Vikar tätig.

Ausblick

In fast vierzig Jahren seit 1960 hat sich die politische und kirchliche Situation gründlich geändert. Die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ist weitgehen gelungen, die Einigung Europas – auch wenn es Rückschläge gibt – inzwischen unumkehrbar. Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte ist die Integration der Staaten Osteuropas in die gesamteuropäische Entwicklung. Die Kirchen sind sich der Herausforderungen durch die veränderten Lebensbedingungen der Menschen bewusst, Antworten werden nur im gemeinsamen Suchen möglich. Der Stellenwert der Kirchen selbst hat sich verändert. Sie stehen in Konkurrenz zu anderen Anbietern im Feld der Sinnsuche und der Wertediskussion. Durch die fortschreibende Globalisierung unserer Lebenswelten bekommen Informationen einen hohen Stellenwert.

Auch in Zukunft wird sich die Bruderschaft den aktuellen Fragen in Kirche und Welt stellen und sich in ihrem Rahmen und mit ihren Möglichkeiten „die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der Menschen von heute“ (2. Vaticanum) zu eigen machen.

Quelle:
"Die St. Liborius-Priesterbrunderschaft" aus "Sankt Liborius – Schutzpatron im Strom der Zeit", Hrsg. Günter Beaugrand (gekürzter Aufsatz von Reinhard Bürger)
Bonifatius-Verlag Paderborn 1997